Wurzeln

Wo man so seine Wurzel hat:

Meine Großeltern hatten einen Bauernhof. Ab und an sehe ich vor meinem geistigen Auge meine Oma, wie sie das niedrige Gartentörchen vor Ihrem Haus bedächtig öffnete und in das Gärtchen hineinging, und das gusseiserne Törchen wieder schloss und eine Weile darin zu tun hatte. Es gab einen Schotterweg in dem Gärtchen. Er leitete vorbei an duftenden Salbei, Fenchel, Minze, Petersilie, Schnittlauch. Eben alles, was grün ist, wohl duftet – Hier und da ein Farbtupfer. Im Sommer flogen einige Schmetterlinge um den Rosmarin herum; Ameisen übten ihren Weg durch Schottersteinchen, durch sandigen Boden, vorbei an den Ziegelsteinen, die Beete einfassten. Fasziniert sah ich den Ameisen zu und erkannte, dass sie sich fast liebevoll um Blattläuse kümmern. Fast genauso, wie mein Opa um seine Kühe. Damals wusste ich nicht alle Namen der Pflanzen, die hier und dort wuchsen. Es gab davon viele, die Krabbeltierchen und die Düfte. Wen man ein Salbei in der Hand reibt, setzt die Reibung Öle frei und es riecht wohlig.

Und, es gab dort Brennnesseln.

Meine Oma Griff mit der blanken Hand beherzt nach den Brennnesseln und schmiss diese samt Wurzeln in einen Korb: Ich dachte früher, Brennnesseln pieksen und sind sonst für gar nix gut. Alles was wächst, hat Wert: Nicht umsonst verdient der Garten den besonderen Schutz. Ein Zaun, eine Einfassung, Steine; die Hege und Pflege, alles was sichtbar blüht und blühen soll, verdient Fürsorge. Nicht alles ist besonders hübsch anzusehen und nicht alles

was so wächst, gibt seinen Nutzen preis. Die sichtbare, vielfältige Welt, das Schöne, das Graue und das Grüne: Alles das ist Ausdruck der Schöpfung und dem Reichtum, von dem wir umgeben sind. Es wäre schön, wenn wir vorsichtiger umgehen mit den wertvollen Dingen, die uns umgeben.

Brennnesseln

Die Erde segenvoll bewirtschaften, das heißt, sich etwas unter die Füße nehmen. Es ist der Auftrag, den wir Christenmenschen verstehen, wenn wir über die Bewahrung der Schöpfung sprechen. Die Schöpfung an sich ist wunderbar. Wir können hier und dort als gute Gärtner*innen eingreifen und das wunderbare zum Blühen bringen. Weil wir nur diese eine Erde haben, müssen wir uns alle gut um sie kümmern. Jede*r kann daran mitwirken und ist herzlich eingeladen, aber auch aufgefordert. Gott gibt dir sein Werk an die Hand und du kannst darin wirken, dir ein Stück weit davon unter die Füße nehmen. Es ist der Auftrag an die Gärtnerin: „bewirtschaftet die Erde segensvoll“.

Nachhaltig sein, das heißt Verantwortung zu übernehmen, für die seltenen Gewächse und für das, was man auf den ersten Blick als lästig und stachelig empfindet. Nachhaltig bedeutet, es wird wieder etwas wachsen, wenn ich mich darum kümmerte. Meine Oma, von der ich ja grad erzählt habe, kochte aus den rausgerupften Brennnesselwurzeln übrigens ziemlich viel Tee. Sie wusste, was man aus allem machen konnte, sie gab den Brennnesseln selbstverständlich eine gute Bestimmung. Ich denke oft an sie, wenn ich heute in der Zeitung Energiespartipps lese oder Heiltipps und -tees aus teuer angepriesen werden. Es geht einfach. Und es geht selbstgemacht. In Sachen Kleidung muss es auch nicht das neuste vom Neusten sein.

Nachhaltigkeit, das soll nicht die neuste Mode sein, sondern ist der richtige Umgang mit der Welt. Es braucht altes Wissen und Freude an der Vielfalt!



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