Wenn man sich lange genug etwas wünscht, dann wird es wahr. In verschiedenen Märchen, zum Beispiel bei Disney, da wirkt es fast so, als muss ich mir nur lange genug die Augen zu kneifen, bis etwas tatsächlich wahr wird: Ein Prinz, ein Schloss, oder ein weißes Pferd.
Wenn man in Armut lebt, ziemlich ist das Wünschen eine gute Sache. Alle Ungerechtigkeiten werden mit einem mit einem Mal aus der Welt geschafft. Ich finde das an sich eine schöne Vorstellung: Plötzlich ist alles in Ordnung, es gibt keine Sorgen um irgendwelche Heizkosten oder um die Gesundheit oder darüber, oder darum wie ich meine Arbeit schaffen soll. Das Wünschen gibt Hoffnung.
In der Welt ist vieles ungerecht. Manche werden reich geboren und auch dafür bewundert. Und viele, auch in der Sennestadt, sind arm. Am letzten Donnerstag war ich im Sennestadthaus und da gibt es die Tafel. Da gehe ich immer etwas geduckt vorbei und steige zügig in den Fahrstuhl. Es ist schrecklich, dass es manchen am Nötigsten fehlt. Und noch schrecklicher ist es, dass ich in dem Moment nix tun kann.
Die Liste der Ungerechtigkeiten ist lang und wenn man so wie ich jetzt über das Ungerechte ins Reden kommt, dann entsteht Wut: Wer ist schuld? Wieso kann man da nix machen?
Von Hermann von Veen, dem holländischen Sänger gibt es das schöne Lied „Als hij kun toveren“, also auf deutsch „wenn er zaubern könnte“. Das Große wir- wünschen-uns-dass-alles-auf-einmal-Gut-ist.
Wir Christenmenschen sind relativ gut darin, uns um andere zu kümmern und die Welt etwas gerechter zu machen. Die Kollekte zum Beispiel: Dass wir Menschen in Not unterstützen wollen. Es ist eine Haltung, mit der wir einander begegnen und wir sollten auch nicht müde werden, uns für Gerechtigkeit einzusetzen. Ich finde Inklusion ist Thema, bei dem man sich auf jeden Fall einsetzen sollte, damit jede und jeder mitmachen kann, egal ob behindert oder nicht. Oder dass jeder und jede lieben kann, wen er oder sie eben gernhat.
Wenn ich mich nur lange genug einsetzte, dann wird das auch! Das Gleichnis vom Richter und der Witwe, haben wir grad gehört. Da gab es einen Richter, dem sagte man nach, dass er vor nix Respekt hatte und schon gar nicht vor Gott. Eines Tages kommt also eine junge Witwe zu ihm. Jemand hatte ihr etwas angetan und da sie nun Witwe war, stand sie gesellschaftlich und wirtschaftlich schlecht da. Vielleicht wusste sie nicht, wie sie noch über die Runden kommen soll. Oder ob noch jemand mit ihr etwas zu tun haben will.
Die Bibel erzählt gar nicht, welches Unrecht ihr angetan wurde und auch nicht, wie die Frau hieß. Aber die Sache muss dringlich und gemein gewesen sein! Der Richter hörte der Frau nicht einmal zu und lies sie mir ihrer Sorge allein.
Aber weil es so brennend gewesen sein muss, kam also die Frau immer wieder zu ihm und machte ihm, vielleicht kann sagen, ziemlich die Hölle heiß. Jedenfalls, weil die Frau so beharrlich war, sagen wir penetrant gewesen ist, ist der Richter irgendwann maximal genervt und gibt ihr nach. Sie bekommt letztendlich ihr Recht. Beharrlich bleiben, dass scheint sich auszuzahlen. Vielleicht kann man sagen: Wenn ich mich lange genug einsetze für mich, dann wird´s.
Viele lernen es heute so, möglichst durchsetzungsstark!!!! Wenn ich einer Person nur lange genug den Hof mache, viele Geschenke bringe und Komplimente sende, dann liebt sie mich auch irgendwann auch. Jeder hat Liebe verdient und das da muss man ja nachdrücklich bleiben, oder? Und wenn ein Kind an der Kasse lange genug quengelt, dann kriegt es auch welche von den Süßigkeiten. Man kennt es: An der Kasse liegt die Schokolade in Griffweite direkt am Band.
Wie kann ich das verhalten der Witwe und des Richters nun für mich bewerten. Ich finde das sehr schwierig. Oft habe ich gehört: „Wer sind wir denn, dass wir urteilen?“ Man guckt doch den Leuten nur vor den Kopf. Deswegen finde ich ganz persönlich, die Geschichte schwierig. Ich hätte mir von dem Richter erwartet, dass er alle Umstände mit einbezieht, auch mal die Gegenseite hört. Klar findet die Frau ihre Situation schlimm, die ist ärgerlich und in Not. Aber kann sie nicht wirklich wenigstens etwas warten? Nun, urteilen ist der Job von so einem Richter.
Aber ehrlich gesagt, wenn ich da selbstirgendwo an der Kasse irgendwo stehe, dann bilde ich mir meine Meinung über andere Leute, erlaube mir Urteile. Und Leute tun das über mich. Ich urteile, ohne dass ich alle Umstände kenne. Man guckt den Leuten ja nur vor den Kopp! Welche Sorgen und Nöte sie haben, erkenne ich manchmal auch nicht. Und schon gar nicht, wenn ich an der Kasse stehe und eigentlich nur drankommen möchte.
Ah, das Gleichnis hat eine Wendung.. Gott mag keine Quengelware: „Hört, was der ungerechte Richter sagt! Der Richter ist also vor Gott ungerecht“, sagt Jesus zu seinen Jüngern.
Sollte nicht Gott gerade für diejenigen Recht schaffen, die jeden Tag zu ihm beten und in anflehen, das Leid und Elend mal endlich aufhören? Das ist ja auch nicht ganz fair: Die Witwe in dem Gleichnis wurde strenggenommen bevorzugt. Und das als Benachteiligte!
Jesus erklärt seinen Jüngern, wie Gott es meint: Es ist das Versprechen, dass Gott denjenigen hilft, die in Not sind. Und dass er sie sieht. Dass er uns alle mit unseren Nöten sieht. Das Gebet ist kein Einkaufszettel, sondern das freundliche, gegenseitige Gespräch.Ich bin froh, dass wir unsere Sorgen und Nöte in der Stille Gott vortragen können. Wenn ich mit Gott spreche, dann sage ich wie es ist.
Ich habe Angst. Ich schaffe das nicht. Es ist Zuviel. Ich kann das nicht.
In dem Lied was ich grad benannt habe, Hermann von Veen, da wo einer zaubern kann und auf einmal alles in Ordnung macht…. Das Lied endet in der holländischen Fassung damit, dass der Zauberer seine Macht total missbraucht. Er findet Gefallen daran, dass er alles bekommt und das andere tun müssen was er sagt! In dem Lied bleibt nur einer übrig, der bestimmt was gut und richtig ist, weil einer der sich immer durchsetzt. Und die anderen kommen nicht mehr zu Wort.
Ich mag das Lied sehr, weil es gut zum Volkstrauertag passt, ein stiller Tag, an dem allen Opfern der Gewaltherrschaft gedacht wird. Gewaltherrschaft wird möglich, wenn die Wenigen über Alle bestimmen. Wenn Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit ausgehebelt werden und der Respekt vor Gottes Weisungen fehlt. Meine Nöte und Sorgen, die trage ich mit mir rum und vertraue darauf, dass irgendwann alles Gut kommt. Und ich kann sie Gott vortragen.
Und das wir, die wir immer irgendwo in der Mitte sind, die wir alle Nöte haben und selbst auch Not verursachen, gemein zu anderen, freundlich zu anderen sind, großzügig, gehässig, fies, liebevoll, dass wir irgendwann auch an der Reihe sind.
Es ist gut, dass Gott uns das Urteil über Gut und Böse, gerecht und ungerecht abnimmt und verspricht, dass wir zu unserem Recht kommen. Es heißt nicht, dass wir nichts machen sollen, wenn Menschen in Sennestadt arm sind oder wenn uns jemand quält. Wir sagen wie es ist. Es ist schlimm. Wenn jemand stirbt, dann ist es ungerecht! Und das sage ich Gott.